FAQ zur Ablösung von ehehaften Rechten

In einem Leiturteil (BGE 145 II 140) hat das Bundesgericht entschieden, dass ehehafte Wasserrechte von Wasserkraftwerken «bei erster Gelegenheit» durch Wassernutzungskonzessionen abzulösen sind.

Das Urteil löst Fragen aus. Gutachten und juristische Aufsätze haben die Rechtslage und das Urteil inzwischen analysiert.  Die FAQ geben einen Überblick über die drängendsten Fragen und enthalten Antwort aus dem Urteil selbst oder den juristischen Analysen. Die FAQ richten sich an die für die Umsetzung zuständigen kantonalen Fachbehörden aber auch an die Betreiber von Wasserkraftwerken und weitere Interessierte.

Die Inhalte dieser FAQ dienen lediglich der Information. Sie sind nicht rechtsverbindlich. Wo immer möglich, erfolgte eine Quellenangabe (kursiv) und es wurde auf weitergehende Grundlagen verwiesen.
Wasser-Agenda 21 übernimmt kein Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Angaben.
Kommentare und ergänzende Fragen bitte per Email an Stefan Vollenweider

(1) Der Bundesgerichtsentscheid 145 II 140

(1a) Was war der Verfahrensgenstand vom BGE 145 II 140?

Im BGE 145 II 140 beschäftigte sich das Bundesgericht mit einer Beschwerde vom WWF Schweiz. Gegenstand der Beschwerde waren Baubewilligungen für die Erneuerung und Sanierung des bestehenden Wasserkraftwerks Hammer an der Unteren Lorze im Kanton Zug (Gemeinde Cham). Streitig war insbesondere, ob das 1967 vom Kanton anerkannte ehehafte Wasserrecht einer integralen Restwassersanierung des bestehenden Kraftwerks entgegensteht.

Im Leitfall war die Ablösung ehehafter Wasserrechte auf kantonaler Ebene nicht Verfahrensgegenstand. Erst das Bundesgericht griff die Frage auf. Es hielt die Klärung des Bestands des ehehaften Wassernutzungsrechts für unentbehrlich, um die bei ihm umstrittenen Rechtsfragen beurteilen zu können (vgl. Karlen, 2020).

(1b) Was genau hat das Bundesgericht mit dem BGE 145 II 140 entschieden?

Das Bundesgericht hat die Beschwerde vom WWF Schweiz gutgeheissen und den angefochtenen Entscheid aufgehoben. Der Fall wurde an den Regierungsrat zurückgewiesen.

Darüber hinaus hat sich das Bundesgericht auch zur Ablösepflicht geäussert, weil die durch die genannten Streitpunkte aufgeworfenen Rechtsfragen so eng mit dem Bestand des ehehaften Wasserrechts verknüpft sind, dass sie nicht losgelöst davon (…) beantwortet werden konnten (vgl. Karlen, 2020).

In seinem Entscheid vom 29. März 2019 hält das Bundesgericht dazu zusammenfassend fest: Ehehafte Rechte sind als Sondernutzungsrechte zu betrachten. Sie sind ohne zeitliche Begrenzung verfassungswidrig. Sondernutzungsrechte gelten maximal bis zur Amortisation der getätigten Investitionen, längstens 80 Jahre. Dann sind sie entschädigungslos dem aktuellen Recht zu unterstellen. Die Anpassung an das heutige Recht hat bei erster Gelegenheit, allenfalls mit einer gewissen Übergangsfrist zu erfolgen. Für die Fortführung der Wassernutzung ist eine Konzession nach heutigem Recht notwendig. Es müssen alle für Neuanlagen geltenden Vorschriften des Umwelt- und Gewässerschutzrechts eingehalten werden.

Aus den Erwägungen des BGE:

Beim ehehaften Wasserrecht (hier in Form eines privatrechtlichen Personalservituts) handelt es sich inhaltlich um ein Sondernutzungsrecht an einem öffentlichen Gewässer. Dessen Schutz rechtfertigt sich wie bei Konzessionen nur aber immerhin mit Blick auf die getätigten Investitionen, d. h. der Errichtung von Wasserwerken. Die Interessenlage ist damit gleich zu beurteilen wie bei altrechtlichen, unbefristet erteilten Konzessionen. Ein darüber hinausgehender Schutz ehehafter Wasserrechte lässt sich verfassungsrechtlich, auch unter dem Blickwinkel der Eigentumsgarantie und des Vertrauensschutzes, nicht rechtfertigen (E. 6.3; vgl. zudem E. 4.1–4.3).

Sondernutzungskonzessionen ohne zeitliche Begrenzung sind bereits nach bisheriger Rechtsprechung verfassungswidrig. So muss das Gemein- wesen die Möglichkeit haben, sich von Zeit zu Zeit zu vergewissern, ob die Nutzung mit dem öffentlichen Interesse noch im Einklang steht, ansonsten es sich seiner Gewässerhoheit entäussern würde. Der Investitionsschutz rechtfertigt die Aufrechterhaltung überkommener Rechte nur bis zur Amortisation der Investitionen, längstens aber für eine Dauer von 80 Jahren. Altrechtliche Konzessionen, die ohne Zeitbegrenzung erteilt wurden, sind nachträglich zu befristen und können unter Gewährung einer angemessenen Übergangsfrist entschädigungslos aufgelöst werden (E. 6.4; vgl. zudem E. 4.4).

Entsprechendes gilt nun auch für die ehehaften Wasserrechte: Auch diese sind nach 80 Jahren den heute geltenden Vorschriften zu unterstellen – und zwar grundsätzlich entschädigungslos. Die ehehaften Rechte sind daher abzulösen; dies unter Umständen mit einer gewissen Übergangsfrist. Will die Betreiberin ihre Wassernutzung weiterführen, bedarf sie hierfür somit einer Konzession nach heutigem Recht. Die Wassernutzung muss alle für Neuanlagen geltenden Vorschriften des Umwelt- und Gewässerschutzrechts einhalten. Dazu gehören auch die Bestimmungen zur Sicherung angemessener Restwassermengen. Das ehehafte Wasser- recht steht demnach einer vollumfänglichen Restwassersanierung nicht entgegen. Die Anpassung an das heutige Recht muss bei erster Gelegenheit erfolgen und ist jedenfalls Voraussetzung für die Erneuerung der Wasserkraftanlagen. Bau- und Ausnahmebewilligungen dürfen daher erst erteilt werden, wenn eine Konzession erteilt worden ist (E. 6.5).

Da es vorliegend an dieser Voraussetzung fehlt, ist die Beschwerde schon aus diesem Grund gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Sache ist an den Regierungsrat zurückzuweisen, um das weitere Vorgehen in den hängigen Baugesuchsverfahren zu prüfen.

Ausführlich analysiert und eingeordnet wird der Entscheid von Peter Karlen in der schriftlichen Fassung seines Vortrages für die Fachtagung der Vereinigung für Umweltrecht (VUR), gehalten am 22. September 2020 in Cham.

(1c) Welche Wasserkraftwerke sind von diesem Entscheid betroffen?

Karlen, 2020 schreibt, dass alle unbefristeten Sondernutzungsrechte von der Ablösungspflicht betroffen sind. Dazu zählen nicht nur die ehehaften Wasserrechte, sondern ebenfalls die altrechtlichen Wasserrechtskonzessionen ohne zeitliche Befristung. Die Letzteren konnten in einzelnen Kantonen vor dem Inkrafttreten des eidgenössischen Wasserrechtsgesetztes begründet werden. Und weiter: Der neue Entscheid stellt nun die ehehaften Rechte den unbefristeten altrechtlichen Konzessionen gleich. Mit Blick auf die Wahrung der Gewässerhoheit spielt es keine Rolle, ob das unbefristete Wassernutzungsrecht auf einer altrechtlichen Konzession oder einem ehehaften Recht beruht.

(1d) Wie viele Wasserkraftwerke mit ehehaften Rechten gibt es?

Swiss Small Hydro geht gemäss ihrem Gutachten von 350 – 400 Kraftwerken in den Kantonen Zürich, Bern, Luzern, Schwyz, Nidwalden, Glarus, Zug, St. Gallen, Thurgau und Waadt aus, deren Nutzungsrechte – zumindest teilweise – auf ehehaften privaten Wasserrechten beruhen. Der Verband schätzt die Jahresproduktion im Bereich von 70 – 100 GWh.

(2) Die Ablösung ehehafter Wasserrechte

(2a) Wer ist für die Ablösung ehehafter Wasserrechte zuständig?

Die Ablösung der ehehaften Rechte ist Sache der Kantone (vgl. Abegg und Severovic, 2020).

(2b) Wie erfolgt die Ablösung? Braucht es eine kantonale rechtliche Grundlage für die Ablösung?

Die Ablösung erfolgt über die Befristung. Zum Vollzug äussert sich der Leitentscheid nicht. Solange nicht der Bund im WRG Regelungen aufstellt, obliegt der Vollzug den kantonalen Behörden.

Gemäss Karlen, 2020 bestehen verschiedene Möglichkeiten:

Der kantonale Gesetzgeber kann alle bisher unbefristeten Wassernutzungsrechte durch eine besondere Norm befristen (vgl. Kanton Thurgau). Das schafft Rechtssicherheit, da dadurch der Ablösungszeitpunkt klar feststeht.

Wenn das Gesetz das Auslaufen der unbefristeten Wasserrechte nicht regelt, müssen die rechtsanwendenden Organe im Einzelfall eine nachträgliche Befristung anordnen.

Für die Erfüllung dieser Ablösungspflicht bedarf es keines besonderen Anlasses. Die kantonalen Behörden dürfen die historischen Rechte sofort ablösen; allerdings muss die Ablösung nicht in allen Fällen unverzüglich erfolgen. In gewissen Konstellationen allerdings müssen die zuständigen Instanzen die alten Rechte sogleich ablösen. So verhält es sich, wenn Massnahmen anstehen, die bei einer Weitergeltung des unbefristeten Rechts von Neuem den verfassungsrechtlichen Schutz von Investitionen auslösen.

Bütler, 2019 schreibt ergänzend dazu: In Kantonen mit vermutungsweise vielen derartigen Werken dürfte der Erlass generell-abstrakter Normen sinnvoll sein, mit welchen die nötigen Schritte für die Ablösung geregelt werden (in Kantonen mit wenigen und den Behörden bekannten betroffenen Werken kann allenfalls auch der Verfügungsweg allein ausreichend sein).

Sägesser, 2020 geht von der Annahme aus, dass das ehehafte Recht unverjährbar sei. Er kommt zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich der «Ablösung». So bezweifelt er, dass Art. 46 Abs. 1 WRG eine genügende gesetzliche Grundlage für eine Enteignung der ehehaften privaten Wassernutzungsrechte gesehen werden kann. (…) Es müsste daher die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen in den Kantonen geprüft werden.

(2c) In welchem Fall ist ein ehehaftes Wasserrechte abzulösen? Was heisst «erste Gelegenheit»?

Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid sind ehehafte Wasserrechte bei «erster Gelegenheit» abzulösen.

In ihrem Rechtsgutachten zuhanden des Kantons Zug bezeichnen Abegg und Seferovic alle Vorgänge unter Beteiligung der Behörden, die Auswirkungen auf den Betrieb des Wasserkraftwerks und seine Umgebung haben könnten (samt Rentabilität und Eigentümerschaft des Wasserwerks) als erste Gelegenheit. Im Gutachten werden dazu folgende Vorgänge aufgeführt:

  • Baugesuche
  • denkmalpflegerische Schutzentscheide
  • ökologische Sanierungsmassnahmen nach GSchG und BGF
  • Finanzierungszusagen (z.B. im Rahmen der Energieförderung)
  • Meldungen an Behörden bei der Übertragung eines Werks an Drittpersonen
  • die Aufgabe eines Betriebs
  • der Ablauf einer zeitlich beschränkten Bewilligung zur Ausübung eines ehehaften Wasserrechts

Der Anlass zur Ablösung des ehehaften Wasserrechts bleibt auch dann bestehen, wenn ein Gesuch zurückgezogen wird.

Die Inhalte der Besprechung des Bundesgerichtentscheides von Bütler (2019) stützen diese Beurteilung.

Das Gutachten von Sägesser (2020) kommt zu einer anderen Beurteilung: «Eine Beseitigung dieser Rechte durch den kantonalen Gesetzgeber ohne vorgängige Enteignung und Leistung der Entschädigung würde die eigentumsrechtliche Institutsgarantie der Bundesverfassung verletzen und wäre überdies auch deswegen bundesrechtswidrig, weil die ehehaften privaten Wassernutzungsrechte im Bundesrecht vorbehalten sind. (…) Es müsste daher die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen in den Kantonen geprüft werden.»

(2d) Haben die Inhaber der ehehaften Wasserrechte Anspruch auf die Erteilung einer Konzession, die dem Umfang des bisherigen Rechts entspricht?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Ein Anspruch auf Neukonzessionierung besteht nicht, auch nicht gestützt auf den guten Glauben in den dauerhaften Bestand eines ehehaften Wasserrechts. Bei einer nachfolgenden Konzessionierung ist die geltende Rechtsordnung vollumfänglich anzuwenden wie bei einer Neukonzessionierungen.

Bei gemischten Werken (wenn also im Laufe der Zeit das ehehafte Wasserrecht mit einer Konzession erweitert wurde) oder wenn infolge einer Vertrauensgrundlage ein Anspruch aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Art. 9 BV besteht, ist allerdings in diesem begrenzten Umfang von einem Anspruch auf Neukonzessionierung oder Anspruch auf eine Entschädigung auszugehen. Beweispflichtig für den Vertrauenstatbestand und seinen Umfang (z. B. für genehmigte und noch nicht abgeschriebene Investitionen) ist, wer sich darauf beruft.

(2e) Welche umweltrechtlichen Vorgaben sind durch eine Ablösung anzuwenden?

Mit der Ablösung des ehehaften Wasserrechts sind alle umweltrechtlichen Regelungen vollumfassend, wie bei einer Neukonzessionierung anzuwenden (Abegg und Seferovic, 2020).

(2f) Wie müssen die ehehaften Rechte abgelöst werden, wenn kein Anlass besteht? Müssen die Behörden von sich aus tätig werden? Gibt es eine Übergangsfrist?

Das Bundesgericht verlangt eine Ablösung bei erster Gelegenheit, «gegebenenfalls mit einer Übergangsfrist». Falls sich keine erste Gelegenheit ergibt, müssen die Kantone somit innert einer bestimmten Frist die verbleibenden ehehaften Wasserrechte ablösen.

Karlen, 2020 schreibt: Die Bemessung der Übergangsfrist bis zur Ablösung soll dem bisherigen Inhaber des Rechts die nötige Zeit einräumen, sich auf die Ablösung vorzubereiten. Insbesondere ist ihm in der Regel die Amortisation der bestehenden Anlagen zu ermöglichen.

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Es ist von einer maximal zehnjährigen Frist auszugehen, innert derer die Kantone, die ehehaften Wasserrechte ablösen müssen. Dies in Analogie zur gesetzlichen Frist für eine Neukonzessionierung (Art. 58a Abs. 2 WRG) und koordiniert mit der Frist, nach welcher die Massnahmen zu umweltrechtlichen Sanierungen der Wasserkraftwerke bis Ende des Jahres 2030 getroffen werden müssen. Wie die Kantone in diesen zehn Jahren die Werke priorisieren, liegt in ihrem Ermessen. Anspruch darauf, die Übergangsfrist auszuschöpfen, haben die Rechteinhaber und -inhaberinnen nicht. Sinnvoll erscheint eine Priorisierung, welche auf die Dringlichkeit der umweltrechtlichen Massnahmen abstellt.

Zur Priorisierung schreibt Bütler, 2019: Kantone mit mehreren oder vielen Wasserkraftwerken, die ganz oder teil- weise auf ehehaften Rechten beruhen, werden wohl Fallgruppen bilden und Priorisierungen vornehmen müssen. Aus ökologischer Sicht prioritär zu behandeln sind Werke an erheblich beeinträchtigten Gewässern mit einer ökologisch bedeutenden Vernetzungsfunktion und Anlagen, bei denen trotz Überfälligkeit keine Restwassersa­nierung nach Art. 80 Abs. 1 GSchG (i.V.m. Art. 81 GSchG) durchgeführt worden ist. Stehen ökologische Sanierungen nach Art. 83a und Art. 83b GSchG (Schwall-Sunk, Geschiebehaushalt und Fischwanderung) an, welche bis spätestens Ende 2030 (d.h. zwanzig Jahre nach Inkrafttreten der Bestimmungen) umzusetzen sind, muss die Ablösung durch das Konzessionsregime vorgängig oder (längstens) parallel durchgeführt und abgeschlossen werden.

(3) Restwasserbestimmungen und Sanierung der Wasserkraft

(3a) Welcher Zusammenhang besteht zu den Sanierungsverfahren nach Art. 10 BGF, resp. Art. 83b GSchG? Ist mit der Einleitung des Konzessionsverfahrens automatisch auch das Sanierungsverfahren einzuleiten?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Mit der Ablösung der ehehaften Wasserrechte besteht in dem Sinne keine Privilegierung mehr. Die umweltrechtlichen Regelungen sind vollumfassend, wie bei einer Neukonzessionierung anzuwenden. Insbesondere sind die Restwassermengen nach Art. 30ff GSchG einzuhalten. Auch die Vorgaben nach Art. 39a und 43a GSchG sowie von Art. 10 BGF sind bei der Neukonzessionierung unmittelbar anzuwenden.

Im Schreiben an die betroffenen kantonalen Fachstellen vom 24. Oktober 2019 schreibt das BAFU dazu:

Es ergeben sich folgende Konstellationen:

  • Die Sanierungsverfügung (Entscheid Kanton über die definitive Sanierungsmassnahme) ist noch nicht eröffnet:
    Die ehehaften Rechte sind durch eine Konzession abzulösen und die geltenden umweltrechtlichen Vorgaben für Neuanlagen einzuhalten.
  • Die Sanierungsverfügung ist eröffnet und es handelt sich um eine Verfüqunq über dauernde Rechtsverhältnisse (v.a. Zahlungen von Erlöseinbussen über die nächsten 40 Jahre):
    Eine Interessenabwägung ist einzelfallweise vorzunehmen (Abwägung korrekte Rechtsanwendung gegenüber Rechtssicherheit/berechtigte wirtschaftliche Interessen des Anlagenbetreibers). In der Regel wird die Verfügung zu befristen sein.
  • Die Sanierungsverfügung ist eröffnet und es sind keine dauernden Rechtsverhältnisse betroffen (nur bauliche Massnahmen):
    Die Verfügung sollte unseres Erachtens aus Gründen der Rechtssicherheit nicht widerrufen werden.
(3b) Sind die Restwassermengen nach Art. 30 GSchG erst dann zu gewährleisten, wenn die Investitionen vollständig amortisiert sind?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben zusammenfassend dazu: Bei der Ablösung von ehehaften Wasserrechten sind die Restwassermengen nach Art. 30ff. GSchG einzuhalten. Die Ablösung ist bei erster Gelegenheit oder – wenn keine solche besteht – mit einer Übergangsfrist von maximal 10 Jahren vorzunehmen (siehe dazu Frage 2f)). Die Übergangsfrist richtet sich aber nicht an einem allfällig bestehenden Vertrauenstatbestand (z. B. eine noch nicht amortisierte Investition oder eine noch laufende finanzielle Förderung) aus. Eine Privilegierung nach Art. 80 GSchG, dass also nur so weit saniert werden muss, als kein entschädigungsbegründender Eingriff vorliegt, kommt nur bei bestehenden wohlerworbenen Rechten (wie z. B. bei gemischten Werken) zur Anwendung. Dies aber jeweils nur in dem Umfang, der nachweislich auf der fortdauernden Konzession beruht.

Sägesser, 2020 vertritt die Auffassung, dass zuerst die Investitionen vollständig amortisiert werden müssen, bevor die Restwassermengen nach Art. 30 GSchG einzuhalten sind. Entscheidend seien nicht die Betriebsdauer, sondern wann die Investitionen getätigt worden sind.

(4) Fragen zur Entschädigung, zum Investitionsschutz und zur Amortisation

(4a) Ist eine Ablösung eines ehehaften Wasserrechtes entschädigungspflichtig?

Nach dem Bundesgericht sind die ehehaften Wasserrechte «grundsätzlich» entschädigungslos abzulösen.

(4b) Welche Investitionen verdienen einen Investitionsschutz?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Ehehafte Rechte galten aufgrund der bisherigen Praxis des Bundesgerichts als unbefristet. Wenngleich diese nach dem Urteil des Bundesgerichts 145 II 140 entschädigungslos abzulösen sind, so hält das Gericht an seiner früheren Rechtsprechung fest, wonach ehehafte Rechte analog der Konzessionen eine Vertrauensgrundlage bilden konnten. Wer sich auf den Vertrauensschutz nach Art. 9 BV beruft, ist beweispflichtig. Das gilt sowohl dafür, dass ein begründetes Vertrauen bestand (infolge des ehehaften Rechts oder einer behördlichen Handlung), als auch für den Umfang der noch nicht amortisierten Investitionen, welche gestützt auf dieses Vertrauen getätigt wurden.

(4c) Wie ist im Falle von noch nicht amortisierten Investitionen bei Kraftwerksanlagen vorzugehen?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Das Konzessionsverfahren ist in einem solchen Falle bei erster Gelegenheit einzuleiten. Die Konzession ist für die Dauer der Amortisation aber so zu erteilen, dass die Amortisation während der Laufzeit der Konzession möglich ist.

Begründet wird dies durch einen Vertrauenstatbestand der Anspruch auf eine Neukonzessionierung oder andernfalls auf einen Ersatz des Vertrauensschadens gibt. Dass hingegen aufgrund eines Vertrauenstatbestandes eine «erste Gelegenheit» für eine Ablösung nicht genutzt oder eine Verlängerung des ehehaften Wasserrechts über die Übergangsfrist hinaus erlauben würde, wäre damit aber nicht gerechtfertigt.

(4d) Wie berechnet sich die Amortisationsdauer?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Die Amortisationsdauer besteht in der Zeit, die nötig ist, um die getätigten Investitionen abzuschreiben, die laufenden Kosten (wie insbesondere den angemessenen Unterhalt) zu decken und die investierten Eigenmittel angemessen zu verzinsen. Eine allfällige Entschädigung ist gestützt auf diese Formel zu berechnen.

(4e) Muss/kann der Kanton oder der Bund die noch nicht amortisierten Investitionen entschädigen?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Vertrauenstatbestände (wie bewilligte, noch nicht amortisierte Investitionen) begründen einen Anspruch auf Neukonzessionierung oder allenfalls auf Entschädigung.

(4f) Müssen die Kraftwerkeigentümerschaften allfällige, vom Kanton bereits geleistete Entschädigungszahlungen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG zurückerstatten?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Einmalige Entschädigungen für bereits ausgeführte Massnahmen dürfen grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Ausnahmsweise kann eine Entschädigung dann zurückgefordert werden, wenn die Massnahmen noch nicht ausgeführt wurden. Wiederkehrende Entschädigungen, etwa für jährliche Erlöseinbussen oder Fördermassnahmen, sind an die veränderte Rechtslage anzupassen und für die Zukunft aufzuheben.

(5) Verschiedene Fragen

(5a) Wie muss mit bewilligten, aber noch nicht realisierten Projekten umgegangen werden?

Dazu sagt das Rechtsgutachten von Abegg und Seferovic folgendes: Bewilligte, aber noch nicht ausgeführte Baugesuche sind aufzuheben oder anzupassen, wenn sie diesem Zweck erheblich entgegenstehen und es ohnehin in naher Zukunft bei der Ablösung des ehehaften Rechts zu einer Anpassung kommen würde.

(5b) Wie ist im Falle von Stilllegungen vorzugehen, z.B. wenn die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist?

Dazu sagt das Rechtsgutachten von Abegg und Seferovic folgendes: Die Eigentumsverteilung und die Pflichten infolge der Aufgabe eines ehehaften Wasserrechts ergeben sich aus einer analogen Anwendung von Art. 66 und 69 WRG. Die auf privatem Boden errichteten Anlagen verbleiben beim bisherigen Eigentümer, während die auf öffentlichem Boden stehenden Anlagen an das verleihungsberechtigte Gemeinwesen übergehen. Sollten die Anlagen auf öffentlichem Boden weiter benutzt werden, so hat das Gemeinwesen dem Konzessionär eine den Umständen angemessene Vergütung zu leisten. Nicht weiter benutzte Anlagen hat der Konzessionär zu beseitigen. Sicherungsarbeiten, die durch das Eingehen des Werkes nötig werden und auch im Interesse des ehemaligen Inhabers des Wasserwerks sind, hat dieser vorzunehmen.

(5c) Was gilt bei unter Denkmalschutz gestellten Kraftwerken?

Abegg und Seferovic, 2020 schreiben dazu: Nach wohl herrschender Auffassung lassen es die geltenden Denkmalschutzgesetzgebungen regelmässig nicht zu, die Funktion eines Objekts, also z. B. den Betrieb eines Wasserkraftwerks, unter Schutz zu stellen. Sollen Bauten eines Wasserkraftwerks unter Schutz gestellt werden, dessen Betrieb möglicherweise aufgegeben wird, so sind die entsprechenden Aufwendungen und Massnahmen analog zu Art. 69a WRG zu entschädigen.

(5d) Betrifft der Entscheid nur Wasserkraftwerke oder sind auch andere Wasserrechte betroffen?

Wasserentnahmen aus öffentlichen Gewässern, die über den zulässigen Gemeingebrauch hinaus gehen, bedürfen einer Konzession. Beruhen solche Wasserentnahmen bisher auf ehehaften Wasserrechten, so sind diese Fälle gemäss Bütler (2019) grundsätzliche gleich zu beurteilen, wie ehehafte Wasserrechte zum Zwecke der Wasserkraftnutzung. Betroffen sein können Nutzungen zum Zweck der Trink- und Tränkewasserversorgung sowie für Fischzuchten, der Bewässerung sowie Fischereirechten (Fischenzen) und Weiderechte.

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